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Mittwoch, 6. April 2016

Damals hiess es "setzt euch"


Der Händedruck-Aufruhr von Therwil sucht nach Erinnerungen und Erlebnisse der eigenen Schulzeit von vor über 60 Jahren. An den Kindergarten und die erstem beiden Schuljahre vermag ich mich kaum mehr erinnern. Den Kindergarten besuchte ich im Gemeindehaus bei einem Fröilein Salm. Die „grosse“ Schule war dann im Rotacker-Schulhaus. Die Lehrerin war Marie Brodbeck, das „Miggeli Brodbeck“ wie wir sie (viele Jahre) später liebevoll nannten. Dann kamen wir 1950 zu Walter Schäfer in die dritte Klasse. Seine Aufgabe war es, einen Grossteil der Schülerinnen und Schüler für die damalige Realschule fit zu machen.

In meiner Erinnerung gab es den Morgengruss wie er heute anscheinend üblich und Kultur ist und von Muslimen-Buben verweigert wird, nicht. Den Haupteingang zum Schulhaus öffnete der Abwart, Herr Strübin, der mit seiner Familie in einer Wohnung im Turnhallen-Trakt hauste. Offensichtlich war es seine Absicht, zu kontrollieren, ob wir die „heilige Halle“ mit sauberen Schuhen betraten. Ihm schüttelte ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler die Hand.
In der Klasse war dies nicht üblich. Oft hiess es zum Schulbeginn „Aufstehen“. Dann wurde entweder ein Gedicht rezitiert — etwa „Die linden Lüfte sind erwacht, es säuselt und webet Tag und Nacht….“ Oder wir eröffneten singend unser Tagewerk mit „Geh aus mein Herz und suche Freud“ oder so ähnlich. Joggi, wie Lehrer Schäfer hinter vorgehaltener Hand benamst wurde, am Harmonium.

Anders vollzog sich das Begrüssungsritual dann in der Realschule Burg. Dort kamen die Fachlehrer in die Klasse. Man stand auf und der Lehrer befahl „Setzt euch“ Im Franzi befahl Fritz Klaus „asseillez-vous“ um uns anschliessend mit Konjugieren, dem Partizip passé und anderem grammatikalischem Greuel zu quälen (ich hätte ihn mindestens einmal wöchentlich assasiner können). Über sein Talent, uns in Sachen Franzi den Verleider zu machen, später einmal mehr wenn ich den Finger auf den Lehrplan 21 lege.

Doch nun zurück zum gegenwärtigen Händedruck-Aufruhr, der sogar die Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf den Plan gerufen hat.
Wann befasst sich schon ein Bundesrat mit Vorkommnissen im Baselbiet?

Es zeigt, dass sich die Schule, der Schulbetrieb und seine Gestaltung in den letzten 60 Jahren vollständig verändert hat. Lehrerinnen auf der mittleren Schulstufe wären undenkbar gewesen. Ihnen war der Kindergarten (Tante Mathilde) und die Einschulungsklassen vorbehalten. Im Rotacker waren das das Miggeli Brodbeck und das Emmi Keller. Auf Mittelstufe waren ausschliesslich Manner am Werk. Untrennbar verbunden mit dem Rotackerschulhaus bleiben die Namen von den Persönlichkeiten wie Ernst Probst, Theodor Strübin, Walter Schäfer, Carl Ewald, Jakob Walter, Emil Plattner, Alfred Bürgin und Turnlehrer Emil Lutz. Nicht anderes in der ebenfalls im Rotacker domizilierten Mädchenrealschule (Dr. Otto Gass, Umiker, Just Stoecklin Ernst Zimmerli)
Auch auf der Burg war damals der Lehrerberuf reine Männersache. Und angesichts der Herren Ernst Hauptlin, Ernst Laubscher, Edi Riesen, Peter Ramstein, Dr, Otto Rebmann, Crispinus Strübin, Dr. Watlter Weigum, Heinrich Stalder, Herr Füeg usw wäre keinem von uns, auch als wir pubertierten, in den Sinn gekommen, den Gruß zu verweigern. Es wäre wohl nicht gut angekommen, wenn es auch nicht bis ins Bundeshaus gedrungen wäre.